von Christin Stäudte
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8. Januar 2024
Eine Konfliktbetrachtung 260.000 Landwirtschaftliche Betriebe sollen schrittweise auf Subventionen verzichten. Darunter fallen die Kfz-Steuerbefreiung sowie die Vergünstigungen auf "Agrar Diesel", soweit die Faktenlage. Dazu kommt ein beachtlicher Wunschzettel, nämlich unser Bedürfnis nach der "weißen Weste" - wir wollen saubere Luft, sauberes Wasser, sauberes Fleisch und Korn. Angesichts unserer Bevölkerungsdichte und unserem Geltungsdrang weiterhin als Exportnation gelten zu wollen, stellt dies eine echte Herausforderung dar, und zwar nicht nur für die Bauern, sondern für das gesamte Land. Wie produziert man denn auf Masse, wenn die Qualität "1A pro Umwelt" sein soll? "Nicht unmöglich, aber schwierig." - habe ich mir sagen lassen. Doch mit der passenden Förderung sei der geplante Freiluftstall und die Biogasanlage ein Leichtes. Die Bauern würden auch zukünftig viele Förderungen auf Landes- und EU-Ebene erhalten. Ein "(...)übertriebenes Ausmaß der Proteste(...)", nennt die ehemalige Agrarministerin den Aufstand der Bauern, während eines Interviews im Ersten. Anschließend bittet sie darum "(...) angemessen zu diskutieren (...)". Auf den Protestschildern der Landwirte ist ihr amtierender Nachfolger und einige seiner Amtskollegen abgebildet und plakativ zur "Treibjagd" freigegeben. Damit zeigen die Demonstrierenden, dass sie deutlich radikaler in ihrer Kommunikation geworden sind. Die Konvois sind größer geworden. Die Rufe werden lauter. Die Politik verweist auf zukünftige Fördertöpfe, die gerade verabschiedet werden. Passende Anträge zu vielen anderen Themen der Landwirte, mit denen sich die nun wegfallenden Subventionen zukünftig ausgleichen lassen, sollen schon im Sommer verfügbar sein. Ich frage mich an dieser Stelle, wie viele Bauern wohl eine eigene "Förderfachkraft" beschäftigen, die sie durch das Antragsprocedere lotst? Die meisten Bauern mussten mühsam in die Bürokratie unseres Europäischen Bündnisses hineinwachsen. Doch wie kann eine Branche überleben oder gar junge ambitionierte Nachfolger finden, wenn sie nur auf einem Bein mit der eigenen Arbeit überlebt, das andere Bein hingegen durch die Auflagen unserer "Weißen Weste" in fester Abhängigkeit zum Staat und dessen Reserven steht. Worüber sich die "Ampel" im Moment wundert: Die Zugeständnisse, die sie in der vergangenen Woche gemacht hat und der damit "nur" schrittweise Entfall der Subventionen - reicht den Landwirten nicht! Doch warum nicht? Hagelt es in den Medien doch Verweise auf andere Fördermöglichkeiten und Branchen, die ebenfalls "beschnitten" wurden. Auf Basis der Fakten sind dies sicher gute Argumente, um den ein oder anderen Landwirt zum Nachdenken zu bringen, doch der Kollateralschaden ist m.E. auf einer ganz anderen Ebene entstanden. Das Vertrauen in die Entscheidungsfähigkeit unserer Regierung ist vielen Menschen verloren gegangen. Zu klein das Interesse an den Sorgen der "kleinen Leute", zu gering die Bemühungen Entscheidungen mit den Menschen zu treffen, die diese Veränderungen "ausbaden" müssen, und zu wenige in den oberen Reihen, die sich schon wirklich die Hände mit harter körperlicher Arbeit schmutzig gemacht haben. Auf der anderen Seite Zuwendungen zum Ausland, die gegenüber unseren inländischen Einsparbemühungen unverhältnismäßig groß erscheinen. Wen wundert es, dass die Landwirtschaft, als Wiege unseres Wohlstands auf die Straßen geht und eben diese blockiert. Und wen wundert es, dass sich so viele diesem Protest anschließen. Es sind auch jene dabei, welche ein sicheres solides Einkommen haben, aber gerne mehr Freizeit hätten und auch jene, welche jede Art der Presse für sich nutzen, um ihre rückschrittlichen Ideen an den Bürger und die Bürgerin zu bringen. Wenn es an dieser Stelle kein ehrliches Umdenken von "oben" gibt und niemand erkennt, was der Protest zum Ausdruck bringt, was unter der Spitze des Eisbergs liegt, dann werden sich immer mehr Menschen denen zuwenden, die ihnen vermeidlich zuhören und augenscheinlich Interesse am Schicksal des Einzelnen zeigen. Was wir brauchen sind Berater und Beraterinnen an den Tischen dieses Landes, die die Realität erlebt haben und über die Weitsicht verfügen, nachhaltige Entscheidungen zu treffen. Ich kann mich zu vielen Teilen in politische Entscheidungen hineindenken und ich sehe, dass sie sich bemühen, die dort "oben". Doch ich wünsche mir, dass sich eine, von ihren BürgerInnen gewählte Regierung, auch von diesen beraten lässt. Es sind Menschen, die sich Tag für Tag arbeitend, versorgend und lehrend aufopfern, um diese Gesellschaft, ja dieses Land stabil zu halten und voranzubringen. Es sind Menschen, denen angesichts politischer Entscheidungen, langsam die Puste ausgeht, da sie weder gehört noch gesehen werden. Wenn ich in den Unternehmen unterwegs bin und dort zahlreiche Gespräche führe, erhalte ich immer wieder das gleiche Stimmungsbild: "Dieser Staatsapparat verdaut sich mit seinem Bürokratiewahnsinn selbst!", "Unkündbare Staatsbedienstete haben Zeit für die Spiele der Macht in ihren eigenen Teeküchen bei voller Bezahlung und Unkündbarkeit.", "Selbständige, welche Arbeitsplätze schaffen möchten, müssen Unsummen an Steuergeldern zahlen, um ihre eigenen Steuern anschließend in einem aufwändigen Antragsverfahren EVENTUELL als Förderung für ein Projekt zurückzuerhalten.", "Ein Bundeskanzler, der vor laufenden Kameras bleibende 7% MwSt. für Gastronome verspricht und dann zurückrudert.", "Niemand traut sich noch ein Eigenheim zu bauen." ... Aus meiner Perspektive ist der Bauernprotest vom 08.01.2024 nur die Spitze des Eisbergs und es wäre fantastisch, wenn unsere amtierende Politik einmal schauen würde, was sich unter der Wasseroberfläche bewegt. Gemeint sind nicht die Hochwasserstände, denn m.E. laufen wir sehenden Auges in eine hausgemachte Destabilisierung hinein, und die Menschen, die zu lange nicht gehört wurden, die suchen sich an anderen Rändern Gehör. Ob sie dort wirklich finden werden, was sie suchen?